Weg mit der Bücherwand!

Weg mit der Bücherwand!

„Corona“ hat es an den Tag gebracht: Wir sind ein gebildetes Volk.

Zumindest gilt das für diejenigen, die sich in Videokonferenzen einschalten oder aus dem Homeoffice heraus für das Fernsehen interviewt werden. Woran man das sieht? An der Bücherwand, dem Standardhintergrund für Menschen, die via zoom, Jitsi, skype, Teams & Co mit der Außenwelt in Kontakt getreten sind. Zwar gilt die Binsenweisheit aller Kameraleute „Vordergrund macht Bild gesund, Mittelgrund tut Absicht kund, Hintergrund nicht kunterbunt“, aber in Sachen Selbstausdruck ist die Versuchung scheinbar zu groß, mit einer eine „gute Bildung“ ausdrückenden vielfarbigen Bücherwand – und sei es unbewusst – anzugeben.

Vieokonferenzen und -interviews

Nun werden Videokonferenzen oder Videointerviews – die ersten Wochen nach den „Lockerungen“ haben es gezeigt – zu einem bald etablierten Kommunikationskanal. Kaum ein „heute-journal“ oder eine Sendung der „tagesthemen“, die noch ohne die Hinzuschaltung eines Experten oder einer Expertin aus der heimischen Umgebung auskommt. Hinfahren in ein nahe gelegenes TV-Studio oder Hinschicken eines Kamerateams zum Ort der Interviewten war gestern, die Bilder kommen künftig aus dem Wohnzimmer. Zwar häufig verwackelt und technisch unsauber, aber das wird sich lösen lassen. Noch sind gute Mikrofone und Kameras das „neue Toilettenpapier“, sprich ausverkauft, aber bald werden auch diese kurzzeitigen Edelprodukte wieder „in den Regalen“ liegen. Schon in wenigen Monaten werden wir alle über das „Ich kann jetzt nix sehen“ oder „Der Ton ist immer mal wieder weg“ schmunzeln.

Tipps für ein besseres Auftreten

Was aber tun, wenn es die Bücherwand nicht sein sollte? Und was sollte man darüber hinaus bedenken? Gar nicht viel, schon mit wenigen Überlegungen und Handgriffen kann man seinen eigenen Auftritt für Videokonferenzen besser gestalten und „bella figura“ machen.

Es geht um Folgendes:

  • um das eigene Outfit,
  • um eine günstige Perspektive vor der Kamera und die Lichtverhältnisse im Raum,
  • um den Hintergrund,
  • und natürlich um die „Fettnäpfe“.

Das Outfit

Beginnen wir beim Outfit: Kein Mensch glaubt, dass man auch zu Hause Krawatte oder Hosenanzug trägt, „casual“ darf also durchaus sein. Doch abzuraten ist vom derzeit zu beobachtenden „Goldstandard“ (bei Herren), also dem karierten Hemd unter einem Strickpullover. Damen – so die Eindrücke der letzten Wochen – gelingt es erheblich besser, einen freizeit­lichen Ausdruck mit dennoch modischer Eleganz zu verbinden.

Und noch ein Pluspunkt: Selbst in den Zeiten verbarrikadierter Friseursalons standen Damen erheblich besser frisiert vor den Kameras des Notebooks als so manche Herren, die scheinbar Anleihen beim britischen Premier­minister Boris Johnson („wild und strubbelig“) genommen hatten. Oder gerade keinen Kamm zur Hand hatten, das konnte natürlich auch sein. Mein Rat: Einfach mal eine Person des Vertrauens hinzuziehen und am besten die oder den entscheiden lassen, wie man selbst am besten „rüberkommt“. Das Fremdbild ist hier oftmals erheblich geschmackssicherer als das Eigenbild. Ich selbst neige zu den „Klassikern“, also zum weißen Hemd (im Sommer) und zum Rollkragen (im Winter), Hauptsache Ruhe.

Fliegen an der Decke

Zur Perspektive und zu den Lichtverhältnissen: Nah dran oder weit weg – so lautet meist die erste Frage. Antwort: Nicht zu weit weg. Viel, viel wichtiger aber ist die Vermeidung einer von Fachleuten so genannten Untersichtperspektive. Selbst fällt sie einem nicht auf, dem „virtuellen Gegenüber“ dafür umso mehr. Um die zu vermeiden, helfen zwei drei dicke Bücher (am besten aus der Bücherwand) unter dem Notebook und schon vermeidet man diese unvorteilhafte Ansicht. Am besten klebt man sich noch einen roten Punkt neben die Kamera, um stets „vor Augen“ (sic!) zu haben, wohin man spricht. Es kommt nämlich als arrogant und blasiert rüber, wenn man – und sei es noch so unabsichtlich – an der Kamera vorbeischaut, das hat niemand gerne. Vergleichbar mit einem Partygespräch, bei dem der Gesprächspartner an einem vorbeischaut. Das empfindet man – zurecht – als Unhöflichkeit, wenn nicht gar als Demütigung.

Achtet man jetzt noch auf gute Lichtverhältnisse (kein Fenster im Hintergrund – aber Halt – da steht ja schon die Bücherwand, kann also nicht passieren …, indirektes Licht am besten von der Seite), dann hat man schon viel getan.

Raufaser, ein Königreich für eine Raufaser

Der Hintergrund: Alles, aber bitte bloß nicht die Bücherwand. Jetzt einmal unabhängig davon, welchen Einblick man da in „sein Innerstes“ gewährt (in den letzten Wochen waren da zum Teil „Werke“ deutlich zu sehen, die weniger von einem „klugen Geist“ denn von (durchaus) liebenswerten Vorlieben kündeten – will man das? Wir alle werden in der nächsten Zeit nicht umhinkommen, uns eine Art „Standardplatz“, ein kleines „Studio“, in der eigenen Wohnung, aber auch im Büro auszusuchen und einzurichten. Ich kann es so ganz nicht verstehen, dass man unglaublich viel Aufmerksamkeit (und natürlich auch Geld) in Kommunikationsmittel aller Art steckt, bei diesem wichtigen und (wie gesagt) bald zum Standard gehörenden Kommunikationsausdruck so liederlich ist.

Dabei ist es so einfach: Ein eher ruhiger Hintergrund (perfekt ist die klassische Rauffaserwand in hellen gedeckten Farben, zur Not aber auch eine Dialeinwand, die ja durchaus noch in dem einen oder anderen Haushalt „schlummern“ soll), ein gezielter optischer Reiz (Bild oder Pflanze oder Logo auf einem Roll up-Banner …) und fertig ist ein angemessener Hintergrund.

Wer bis hierin durchgelesen hat, merkt das Prinzip: Ruhe, Ruhe, Ruhe!

Nicht in der Nase popeln!

Fettnäpfe: Einen „Fettnapf“ hatten wir ja schon (nicht an der Kamera vorbeischauen), aber derer gibt es natürlich noch viel, viel mehr. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit gehören das Beobachten von Fliegen an der Decke, das parallele Checken von Mails, das Surfen im Internet (es geht), das Annehmen von Handyanrufen, Brillenputzen und natürlich die „Körperpflege“ jeglicher Art (etwa an der Nase) dazu. Ein durchs Bild laufender Hund, selbstverständlich auch Kinder werden als „menschelnd“ toleriert (es gibt Leute, die „Störungen“ dieser Art bewusst einsetzen), eher vorsichtig sollte man sein, wenn Familienmitglieder oder „Besuch“ im Nachthemd (oder ähnlichem) durchs Bild huschen (alles schon da gewesen) …) Und auch, wenn es natürlich niemand zugeben wird: Man sollte darauf achten, keine (!) Jogginghose (oder ähnliche „Bekleidungen“) unter dem ausgesucht gepflegten „Oberen“ zu tragen. Einmal – so sagen Psychologen – überträgt sich diese Liederlichkeit doch auf die Körperhaltung und die Körperspannung, aber vor allem: Wenn man dann doch einmal aufstehen muss (um zum Beispiel ein Buch oder eine Akte zu holen), dann muss man schon über ganz besondere akrobatische Fähigkeiten verfügen, um sich „aus dem Bild zu stehlen“.

Was noch? Es gäbe noch eine Menge darüber zu sagen, wie man sich inhaltlich in eine Videokonferenz einbringt, wie man auch hier Unhöflichkeiten vermeidet und wie man auch in Videokonferenzen den „menschlichen Faktor“ aufbauen kann.

Aber darüber demnächst mehr im rauschgold-Blog.

Und was machen wir jetzt mit der Bücherwand?

Tipp: Erst einmal alle Werke lesen, bevor man mit ihr angibt!